Freitag, 27. September 2019

Samstag, 6. April 2019

Steinhuder Meer

Nordwestlich von Hannover liegt das Steinhuder Meer. Das ist der größte See Niedersachsens und der (flächenmäßig) neuntgrößte See Deutschlands, außerdem der größte See Deutschlands, der nicht in Bayern oder MV (den See-Streber-Bundesländern) liegt.
Es fährt kein Zug direkt zum Steinhuder Meer. Die dichtesten Bahnhöfe liegen in Wunstorf und Neustadt am Rübenberge (am Leineradweg). Steinhude ist eigentlich ein Ortsteil von Wunstorf, insofern wäre es logischer, dort zu starten. Aber Google verriet mir, dass der Weg von Neustadt am Rübenberge trotzdem kürzer ist, und noch dazu sehr leicht zu merken. Direkt neben dem Bahnhof verläuft diese Straße, der man einfach nur folgen muss. Innerorts heißt sie Landwehr, danach Moorstraße. Und Moor gibt es dort tatsächlich nicht zu knapp, dazu jede Menge Birken. Beides ist eine passende Einstimmung auf den Steinhuder-Meer-Rundweg.
Die Wurzeln haben dem Radweg eine kuriose Form gegeben. Ein Schild warnte mich vor Radwegschäden, aber ich weiß gar nicht, ob ich das als Schaden bezeichnen würde. Man radelt wie auf einer Mini-Halfpipe immer ganz leicht hin und her und auf und ab. Das bremst zwar, aber irgendwie fühlt es sich auch witzig an.
Rechts erstreckten sich zunächst Baustellen und später große Moorflächen.

In den Fahrradkarten führt eine Variante vom Leineradweg und ebenso eine vom Weserradweg nach Steinhude, denn der See liegt ungefähr in der Mitte zwischen beiden Flüssen. Die Landkarten zeigen aber nicht den Radweg um den ganzen See, sondern nur zu einer Stelle am Ufer in Steinhude. Ich habe mir deshalb einen anderen Weg gesucht. Die Radwegfunktion von Google Maps stellt am Steinhuder Meer alle Wege sehr präzise dar, damit kommt man also gut zurecht. (Es sei denn, das Handy gibt auf halber Strecke plötzlich seinen Geist auf. Grr.)
Nach sechs Kilometern taucht links neben der Moorstraße das Steinhuder Meer auf. Ich wechselte die Straßenseite und fuhr direkt am Ufer entlang. Der Rundweg ist 32 Kilometer lang, das macht mit der Hin- und Rückfahrt also ca. 44 Kilometer.

Zunächst einmal verschaffte ich mir auf einem hölzernen Aussichtsturm einen Überblick. Dann ging ich baden, denn immerhin waren da gerade ein paar nette Sandstrände.
Als ich gefühlt schon fast in der Mitte des Sees stand, war meine Badehose immer noch nicht nass. Das Wasser war einfach zu flach. Also kehrte ich wieder um.
Am Ufer stellte eine ältere Dame die originellste und einfallsreichste Frage, die man jemandem, der im März badet, nur stellen kann: "War das nicht kalt?"
"Nö", sagte ich, "nur zu flach. Der See ist ja schön, aber man kann gar nicht richtig schwimmen."
"Nee, zum Schwimmen war das hier noch nie...", bestätigte sie. Ah ja. Das Steinhuder Meer ist also mehr so ein See zum Gucken.
Und wer sich ein bisschen umguckt, dem springt sofort ein eigentümlicher Berg am anderen Ufer ins Auge. Was es wohl damit auf sich hat? Mal sehen.

Mensch und Natur haben sich den See erstaunlich fair aufgeteilt. Das Nord- und Südufer gehören der Zivilisation. Am West- und Ostufer erstrecken sich Naturschutzgebiete.
Meine Rundfahrt begann am Nordufer. Dort befinden sich die Ortschaften Weißer Berg und Mardorf. Sie bestehen aus Campingplätzen, Strandrestaurants, Segelclubs, Spielplätzen und einer Jugendherberge. Auf den asphaltierten Uferwegen tummelten sich viele Spaziergänger, trotzdem kam ich schnell voran. Das war auch gut so. Ich hatte nämlich morgens verschlafen und so war es inzwischen schon 16 Uhr.

Auf dieser eiszeitlichen Düne wachsen Kiefern.

Nach einer Stunde hatte ich das Nordufer passiert und war schon gespannt auf die Natur am Westufer. Doch statt auf Besonderheiten der Natur stieß ich zunächst auf eine Besonderheit des Vertragsrechts.
Auf einer Weide grasten schottische Galloway-Rinder. Die werden dort bio, nachhaltig und extensiv gehalten. Eine Hinweistafel informierte mich, dass man sich ein solches Rind leasen kann. Dabei begleitet man es von der Aufzucht bis zur Schlachtung.

Die Natur ließ aber auch nicht lange auf sich warten. Am Ostufer erstreckt sich das Naturschutzgebiet der Meerbruchswiesen. Bis etwa 1980 wurde das Moor noch entwässert, damit man Landwirtschaft betreiben kann und die Wassersportler genug Wasser im See haben. Dann wurde die Entwässerung gestoppt und Niedersachsen baute einen Damm, damit trotzdem noch genug Wasser im See bleibt. Nun entsteht langsam wieder ein Moor.

Die Radwege verlaufen an den Naturschutz-Ufern weiter weg vom See. Wer einen Blick auf den See werfen will, kann das aber trotzdem machen. Denn überall am Steinhuder Meer führen Wanderwege und hölzerne Stege zu Aussichtsplattformen am Ufer. Fahrräder sind auf diesen Wegen verboten und müssen vorher abgestellt werden.
Der längste dieser Wege führt durch die Meerbruchswiesen. Unterwegs passiert er zwei Holzhütten, in denen man Vögel beobachten kann. Damit die Vögel das nicht mitkriegen, haben die Hütten keine großen Fenster, sondern nur schmale Öffnungen zum Durchgucken. Dier erste Hütte ist das Rotkehlchen-Haus...

...und die zweite zeigt den Besuchern die Gänsewiese. Dort war tatsächlich einiges los. Hier sind unter anderem Spieß-, Krick-, Knäk- und Löffelenten unterwegs.
Das Steinhuder Meer ist nämlich ein Internationales Vogelschutzgebiet und eine Raststätte für Zugvögel auf dem Weg nach Südafrika. Deswegen dürfen zwischen November und März (also auch noch dann, als ich da war) keine Wasserfahrzeuge auf dem See fahren.

Am Ende des Weges liegt dann wie gesagt noch ein hölzerner Aussichtsturm. Vermutlich gibt es in der Kommunalordnung eine Vorschrift, die besagt, dass am Steinhuder Meer mindestens alle fünf Kilometer solch ein Holzturm stehen muss. Aber ich will mich nicht beschweren, ich mag diese Dinger. Für die anderen muss man auch nicht ganz so weit laufen wie für den hier.

Von oben ist zum Beispiel die Festung Wilhelmstein zu sehen. Die Insel wurde im 18. Jahrhundert von Herzog Wilhelm als Gefängnis angelegt. Sie galt als uneinnehmbar, weil sie nur von Wasser und Moor umgeben war. Das erste deutsche U-Boot sollte sie außerdem verteidigen.
Heute ist sie komplett vom Wasser umschlossen. Man kann mit dem Schiff hinfahren, ein Museum besichtigen und in Gästezimmern übernachten.

Das Dorf Winzlar hatte einen Haufen Hinweistafeln, die mich geradezu verzweifelt zu einem Umweg überreden wollten. Machen Sie einen Abstecher in die Städte Rehburg und Loccum! Fahren Sie auf dem Dino-Radweg! Wir haben da Dino-Fußabdrücke und große Dinosaurierskulpturen!
Ging leider nicht. Es war schon fast 17 Uhr und ich hatte erst die halbe Strecke geschafft.

Hagenburg ist ein biederer Backsteinort am Fuß des weißen Bergs, der mir schon am gegenüberliegenden Ufer aufgefallen ist. Eine Firma namens S+K Kali GmbH baut dort Salze ab, die als Dünger oder Nahrungsergänzungsmittel genutzt werden. Mehr konnte ich über eine schnelle Google-Suche nicht in Erfahrung bringen. Ein Jahr später jedoch sollte ich auf dem Werratal-Radweg nähere Bekanntschaft mit diesen Salzen machen.
Damit wären wir nun am Südufer.

Der Rundweg ums Steinhuder Meer ist sehr gut ausgeschildert. Sein Symbol ist ein blauer Klecks

Eine Allee aus Rhododendron...

...führt zum Schloss Hagenburg. Rund um das Schloss zieht sich ein verwinkelter Park.

Wer sich nicht im Park verirren möchte, kann sich das Schloss auch einfach von dieser Brücke aus ansehen. Die Brücke führt unnötig steil hoch und runter, deshalb habe ich mein Rad drübergeschoben. Sie überspannt einen Stichkanal, der Hagenburg mit dem See verbindet.

Der Endspurt nach Steinhude erfolgt auf einem wunderbaren Uferweg. Fuß- und Radweg sind dort getrennt, der Radweg wird außerdem in zwei Spuren für beide Richtungen geteilt.

Steinhude empfing mich mit einem großen Parkplatz und dieser, äh, ist das eine alte Burg? Oder Kirche? Jetzt ist jedenfalls ein Restaurant drin.

Die Steinhuder tun wirklich konsequent so, als hätten sie ein Meer vor ihrer Haustür. Alles sieht richtig maritim aus, mit Restaurants, bei denen Anker und Fischernetze an der Fassade hängen und all so was. Der Ort könnte genau so auch an der Ostseeküste stehen.
Und ich meine: Was macht es schon für einen Unterschied, dass irgendwo hinten am Horizont wieder Land zu sehen ist und nicht unendliches Wasser? Antwort: Es gibt keine Wellen. Aber das ist sicherlich auch nicht allen Urlaubern so wichtig.

Ganz typisch Steinhude: Holzbrücken zum Flanieren, die Inselchen und Halbinseln verbinden.

Generell ganz typisch Steinhuder Meer (jedenfalls an der Nord- und Südküste): Segelhäfen mit Kränen, um die Boote ins Wasser zu setzen.
Im Hintergrund ist die künstliche Badeinsel von Steinhude zu sehen. Dort kann eine Familie ihr Bade-Basislager wahlweise auf Sandstrand oder Baumwurzeln aufschlagen.

Jetzt fehlt nur noch das Ostufer. Das sieht so aus. (Dieses Foto entstand, richtig, auf einem hölzernen Aussichtsturm.)

Und der Radweg am Ostufer sieht so aus. Birken! Unglaublich viele Birken!
Dieser Weg führt zurück zur Moorstraße.
Ich kenne keinen Seenradweg, der so viele Aussichtstürme, Holzstege, Holzhütten und Hinweistafeln hat.

Stege führen hinaus ins Lebendmoor und dorthin, wo einst Torf abgebaut wurde. Bis vor 50 Jahren waren hier rechteckige Löcher im Matsch, aus denen man Torfsoden stach. Mittlerweile ist etwas Gras über die Sache gewachsen. Im Sonnenuntergang leuchtet dieses Gras rot. Ein wenig sind die Löcher aber noch zu erkennen.

Danach wurde der Torf in solchen Kähnen abtransportiert. Die Leute nutzen den einst als Brennstoff. Um durch den Winter zu kommen, brauchte eine Familie etwa 10000 von den Dingern. Da musste also einiges gestochen werden.

Fazit: Wow! Das Steinhuder Moor, ähm, ich meine, Meer kann sich locker mit den Mecklenburger Seen messen. Viele übertrifft es sogar.