Sonntag, 16. Juli 2017

Tollensesee

Wir haben uns wieder einmal einen See der Mecklenburgischen Seenplatte vorgenommen, diesmal den Tollensesee. Als hundertprozentig nicht maßstabsgetreue Karte aus Plättchen des Brettspiels Carcasonne sieht der so aus (zur Navigation nicht empfohlen).

Die Tour um den See beginnt und endet in Neubrandenburg. Neubrandenburg wird die Stadt der vier Tore genannt. Das hier ist eines davon, nämlich der Treptower Torturm (ein richtiger Zungenbrecher).

Die Stadtmauer ist komplett erhalten und zieht sich um das Stadtzentrum. Sie besteht aus Feld- und Backsteinen, eine klassische norddeutsche Mauer also.
Die Besonderheit: In der Mauer liegen kleine weiße Fachwerk-Häuschen. In einem davon befindet sich nach eigenen Angaben "das wahrscheinlich kleinste Versicherungs-Museum der Welt".
Die Mauer ist also wirklich sehr schön anzusehen. Weniger schön anzusehen ist das, was man innerhalb der Mauer entdeckt, wenn man den Blick nach rechts wendet: Baustellen und klotzige Neubauten.

Der große Kirchturm von Neubrandenburg erinnert entfernt an eine Burg. Doch sonst kann das Stadtzentrum nicht begeistern.

Im Krieg wurde vieles zerstört und durch DDR-Klötze ersetzt. Insbesondere der riesige graue Turm beleidigt das Auge.
Neubrandenburg lässt sich also ganz gut mit den Worten von Pater Braun beschreiben: Hübsch hässlich habt ihr's hier. Oder wie unsere Mutter gesagt hat: Außen hui, innen pfui.

Der Tollensesee-Radweg ist 40 Kilometer lang. Im Osten Neubrandenburgs, neben einem fast leeren Parkplatz und einem Spielplatz, begannen wir mit der Runde um den See.

In den See fließen einige Bäche.

Das ist der Tollensesee, der Gardasee von Pommern, im Osten der Mecklenburgischen Seenplatte. Erstmal eine Badepause! Rund um Neubrandenburg gibt es viele geeignete Badestellen. Der Tollensesee ist äußerst flach und kindgerecht, besonders im Norden. Auf dem See sind Segelschiffe und kleine Luxusyachten unterwegs.
Auf der kleinen Insel (hinten im Bild) wurde in der DDR mit Waffen experimentiert.

Zunächst führt der Kiesweg am Ostufer an einer Strandpromenade entlang und durch zugewucherte Wälder.

Nun taucht der Radweg so richtig in den Wald ein.

Und was für ein Wald das ist! Der Radweg führt auf und ab, hin und her, aber die paar Steigungen sind einen so wunderbaren Wald allemal wert. Der See liegt etwa zehn Meter tiefer, und auf dem steilen Ufer wachsen dicke Bäume.
Da kann der Plauer See nicht mithalten - der Wald am Tollensesee ist schöner und der Radweg ist weniger anstrengend als im Wald bei Plau.

Um diesen Aussichtspunkt zu erreichen, muss man auf einen kleinen Hügel steigen. Der Arion-Gedenkstein erinnert an den ältesten Gesangsverein von Mecklenburg-Strelitz. Die Aussicht ist auch nicht zu verachten.

Ein anderer Gedenkstein (links im Bild) erinnert an den Naturforscher Alexander von Humboldt, der einige Zeit am Tollensesee verbracht hat. Weil Humboldt so viel in Südamerika herumgereist war, hatte er die Idee, einen der hiesigen Hügel nach einem südamerikanischen Berg Chimboraco zu nennen.

Der wunderbare Wald endet in Klein Nemerow. Dieses Dorf besteht aus luxuriösen Häusern...

...und einem Johanniterkloster ohne Dach.

Der Radweg entfernt sich nun immer mehr vom Tollensesee. Im Süden des Sees liegt ein kleiner Flachsee namens Lieps, der gerade einmal drei Meter tief ist. Die Lieps muss man ebenfalls umfahren, denn zwischen Tollensesee und Lieps führt kein Weg entlang.
Die Gegend ist ziemlich hügelig, oft gibt es Steigungen. Das Becken des Tollensesees und die Landschaft drumherum wurden in der Eiszeit durch das Schmelzwasser von Gletschern geformt.

Einen wunderbaren Wald hatten wir schon, nun folgen wunderbare Wiesen (die teilweise als Golfplatz verwendet werden).
Hier führt ein Naturlehrpfad entlang, wo die Bäume beschriftet sind. Das rechts im Bild ist zum Beispiel ein Bergahorn.

Es geht ein kurzes Stück auf und neben Straßen entlang...

...und dann auf einem sehr schmalen, kurvigen und hügeligen Radweg, durchsetzt mit Tunneln aus Bäumen, der mich regelrecht an eine Achterbahn erinnert hat. Dort ist man richtig schnell unterwegs, entsprechend stark braust der Fahrtwind dem Radfahrer ins Gesicht. (Auf der nächsten Bergaufstrecke muss man dafür dann natürlich wieder strampeln.)

Von der Achterbahnstrecke habe ich ein kleines Video gemacht. Aber wie das oft so ist: In Wirklichkeit sieht es irgendwie spannender aus, als wenn man es sich hinterher auf einem Bildschirm anguckt.

Am südlichsten Punkt des Rundweges liegt Prillwitz. Dort stehen ein Jagdschloss, eine kleine Kirche...

...und eine gelbe Kirche. Wozu braucht so ein winziges Dorf zwei Kirchen?!

In der gelben Kirche gab es einst namentlich reservierte VIP-Plätze.

In Zippelow gibt es ein vermutlich nicht mehr funktionsfähiges Wasserrad...

...und ein wenig Landwirtschaft. Auf den Feldern stehen unter anderem Kühe, Pferde, seltsam verkrüppelte Ziegen und Getreide.

Die Gegend ist manchmal recht sumpfig.

Hier hat sich wohl schon länger niemand mehr hingesetzt.

Der Radweg ist sehr gut ausgeschildert, auch wenn die Schilder teilweise ganz unterschiedlich aussehen. Manche Schilder erinnern sogar an die riesigen Hinweistafeln auf Schnellstraßen, die Autofahrern erklären, auf welcher Spur es wohin geht.
An dieser Kreuzung kann man in ein Dorf mit dem originellen Namen Siehdichum abbiegen. Wir haben uns allerdings umgesehen und anhand der vielen Schilder festgestellt, dass unser Weg nicht Richtung Siehdichum führt.

Also fuhren wir nach Alt Rehse. Ein knuffiges Dorf mit niedlichen Fachwerk-Bauernhäusern und einem tollen Spielplatz, wie schön! Nur seltsam, dass die Häuser noch gar nicht so alt aussehen... und diese Inschrift auf dem Balken Errichtet im 3. Jahre... was das wohl bedeutet?
Dann entdeckten wir eine Infotafel und auf einmal war das Dorf nicht mehr so niedlich. Es handelt sich um ein NS-Musterdorf, in dem Ärzte und Krankenschwestern in "Rassenhygiene" unterrichtet wurden, und die Inschrift bezieht sich auf das Jahr 1933.

In dieses Bücherhaus kann man Bücher hineinlegen und sich welche hinausnehmen.
Im Hintergrund sieht man die Kirche, eines der wenigen Gebäude im Dorf, das tatsächlich alt ist.

In einer Scheune am Ende des Dorfes wohnen offenbar linksradikale Hindus, deren Plakate teilweise auch recht hasserfüllt sind.

Schließlich führt der Radweg wieder am Westufer des Tollensesees entlang, und zwar wie zu Beginn durch einen Wald, vorbei an einem Waldkiosk und einem Campingplatz namens Gatsch Eck.

Kurz vor Neubrandenburg kann man sich noch im Strandbad Broda abkühlen, einem wirklich riesigen Labyrinth aus Wegen, Wiesen, Stränden und Stegen. Hier ist mehr als genug Platz für alle Badegäste. Man sollte sich nur nicht übermäßig von der Technomusik stören lassen, die abends sanft aus den Lautsprecherboxen einiger junger Menschen wummert.

Ach ja, falls sich jemand gefragt hat, wie der Tollensesee eigentlich zu seinem ungewöhnlichen Namen kommt, hier ist die Antwort. Der See wurde nach dem Fluss Tollense benannt.

Die Tollense fließt nämlich kurz vor Neubrandenburg in den Tollensesee.