Montag, 21. Juni 2021

Schweriner Außensee

 Tag 2: Die Außense(e)ite

gefahren im: Oktober 2021
Start & Ziel: Rampe, Sackgasse am Radweg
Länge: 35 km
Seequerungen: 1 (Brücke und Damm)
Landschaft: Weiden und Wald
Wegbeschaffenheit: erst super Radweg, dann wilder Matschpfad oder Straße
Steigungen: wenige bei Willigrad
Wetter: grau mit einzelnen Tropfen
Wind: angeblich Böen bis 50 km/h, aber nur auf dem letzten Stück zu spüren
Highlight: Fischimbiss Hohen Viecheln
Größte Hürde: gerissene Kette im Matsch
Zitat des Tages: "Zwei junge Männer aus Hohen Viecheln wollten sich nachts aus dem Aalfang mit frischem Aal versorgen. Da bemerkten Sie auf der Erdschanze hinter dem Wallensteingraben ein Lagerfeuer und in seinem Schein schwedische Uniformen."
-Hinweistafel zur Schwedenschanze am Niklot-Pfad-

1. Fahren Sie nun um die nördliche Hälfte vom Schweriner See. Meistens nennt sich so was Obersee, aber die Schweriner haben ihn Außensee genannt, weil er an ihrer Außenstadt... nee, das Wort gibts gar nicht. Der See grenzt tatsächlich noch an Wickendorf, einen offiziellen Stadtteil Schwerins.
Wenn Sie sich gleich zu beginn das Sahnestück des Rundwegs gönnen wollen, nehmen Sie zuerst den Radweg am Ostufer.

Bewundern Sie den Weidenweg mit Hagebutten. Auch wenn Sie hier schnell vorankommen, vergessen Sie nicht, ab und zu einen Blick auf den See zu werfen, wenn er sich zwischen den Pflanzen zeigt. Er sieht ganz anders aus als der Außensee, trüb und grau statt klar und blau. Das könnte aber daran liegen, dass inzwischen ein halbes Jahr vergangen und der Herbst eingezogen ist. Auf den stürmischen Wellen sind sogar Windsurfer unterwegs.

2. Fahren Sie am Campingplatz von Flessenow geradeaus weiter, bis Ihnen auffällt, dass Sie auf eine Sackgasse zusteuern.

Sollten Sie nur mit Ihrem Vater unterwegs sein, nutzen Sie die Gelegenheit für eine echte Männertour. Neben schnellerem Tempo gehört dazu auch furchtloses Experimentieren mit Abkürzungen quer durch Schrebergärten und Sümpfe.
In diesem Sumpf haben sich siegreiche Soldaten aus Belarus am Ende des Zweiten Weltkriegs traditionelle Blockhütten gebaut. Einige Monate später wurden die Hütten als Quarantänelager benutzt, in dem 235 Menschen starben.


3. Finden Sie den richtigen Weg wieder und finden Sie den Langen See und den Döpen. Diese wunderbaren Wasserflächen entstanden aus Toteis am Ende der Eiszeit und verstecken sich nun tief im Wald.

Lesen Sie sich sämtliche Metalltafeln auf dem Niklot-Pfad durch. Die Tafeln informieren über die Überreste historischer Stätten, wobei es deutlich mehr Tafeln als Überreste gibt. Im Grunde besteht der Niklot-Pfad fast nur aus Findlingen und Metalltafeln.
Der dickste Findling steht da, wo der Slawenfürst Niklot seine wichtigste Burg in den Sumpf gebaut hat. Die Burg von Dobin konnte Kreuzzügen aus Dänemark und Sachsen gleichzeitig standhalten. Damit die Belagerer endgültig abzogen, musste Niklot aber trotzdem einen Kompromiss aushandeln und ein paar Leute taufen lassen. Trotzdem wurde er später an der Warnow besiegt. Sein Geist soll hier je nach Quellenangabe alle 100 Jahre oder jede Nacht herumreiten.

4. Kehren Sie bei Hohen Viecheln zurück in die Gegenwart in Form der Bahntrasse Rostock-Hamburg.

Statten Sie der Gotischen Hallenkirche einen Besuch ab. Von außen sieht sie vielleicht ein wenig klobig und löchrig aus, zumal die Glocken in einem ollen Schuppen hängen, weil der Kirchturm nie fertiggebaut wurde.
Die Löcher stammen von Holzbalken, die ein Gerüst bildeten und nach dem Bau rausgezogen wurden. Ich habe aber noch nie so viele dieser Löcher gesehen, die Hohen Viechelner waren bei der Sicherheit ihrer Baugerüste offenbar besonders vorsichtig.
Aber lassen Sie sich nicht davon täuschen.

Doch von innen ist die Kirche - wow! Die Säulen tragen Streifen aus glasierten Backsteinen. Normalerweise werden solche Steine nur draußen zum Angeben eingemauert, weil sie so teuer sind, doch die Hohen Viechelner sind nicht nur vorsichtig, sondern auch bescheiden und konzentrieren die ganze Pracht auf den Innenraum. Der ist auch noch super sauber und in Schuss. Ein Schild am Eingang macht Werbung für den Podcast des Pastors.

Gönnen Sie sich am Imbiss ein warmes Fischbrötchen, es lohnt sich. Passen Sie dabei auch gleich einen Regenschauer ab. Lesen Sie auf der Zeittafel, dass diese Fischerfamilie hier schon seit 1680 frische Fische fischt.

Fahren Sie lieber zur warmen Jahreszeit, denn der Außensee hat zahlreiche Badestellen. Viele sind mit Bänken ausgestattet, eine sogar mit einer blauen Schwimminsel.

5. Folgen Sie der Bahnstrecke durch den Wald und überqueren Sie den Wallensteingraben. Hier lebten mal Steinzeitmenschen. Im 16. Jahrhundert haben die Mecklenburger einen kleinen Kanal bis nach Wismar gebuddelt, sodass der Schweriner See plötzlich in die Ostsee und nicht mehr über Stör, Elde und Elbe in die Nordsee abgeflossen ist.

Einige Abenteurer paddeln auf diesem Weg vom Schweriner See in die Ostsee. Dabei stelle ich mir insbesondere die Stelle abenteuerlich vor, an der sie durch ein Gitter unter der Bahnstrecke durchmüssen.

Erobern Sie die Schwedenschanze! Das ist endlich mal ein historischer Ort, an dem ein klein wenig mehr zu sehen ist. 

Die Form des sternförmigen Walls ist noch gut zu erkennen. Seine Strahlen sind unterschiedlich lang und spitz, auf Symmetrie legten die Erbauer nicht viel Wert. Obendrauf wachsen Birken, hinten steht eine Bank mit schönem Seeblick.
Der Sage nach heißt das Ding Schwedenschanze, weil zwei Männer darauf schwedische Soldaten entdeckt und das Dorf gewarnt haben - die Schweden stockten ihre Armee damals unterwegs gerne per Zwangsrekrutierung auf.
Auf der Schanze waren also nie dauerhaft irgendwelche Schweden stationiert (selbst dass sie eine Nacht hier waren, ist nicht belegt). Die Schanze gehörte dem Mecklenburger Militär, das die Handelsroute vor Überfällen bewachen sollte. Also, jetzt nicht aus Barmherzigkeit mit den Händlern, sondern damit der Herzog in Schwerin genug Essen bekam.

5. Durchqueren Sie Bad Kleinen und ignorieren Sie die Schilder, die Sie über die Gleise leiten wollen - Sie können ebensogut auf dieser Seite bleiben. Fahren Sie vorbei an den Ruinen alter Bahnhofsgebäude und einem scheußlichen grauen Turm, in dem 50 Eigentumswohnungen entstehen sollen.

Obwohl Sie der Bahn eine Weile folgen, hat Bad Kleinen den einzigen Bahnhof an der Strecke. Er wurde mehrmals komplett umgebaut, damit in auch ja niemand wiedererkennt, wobei 2017 auch denkmalgeschützte Gebäude abgerissen wurden. In einem Tunnel (der inzwischen durch eine bunte Brücke ersetzt wurde) wollte die Polizei 1993 die letzten Terroristen der RAF festnehmen. Wolfgang Grams floh auf einen Bahnsteig und beging entweder Suizid oder wurde hingerichtet - suchen Sie sich eine Variante aus, der Sie lieber glauben. Was hingegen feststeht: Die Polizei machte ein paar schlampige Fehler, stürmte wegen eines missverstandenen Funkspruchs zu früh los und beseitigte beim Aufräumen wichtige Spuren, weshalb sich die Todesumstände auch nicht mehr ganz sicher feststellen lassen.


Während der Industrialisierung beschlossen die Eisenbahner, dass Sie lieber keine Bahntrasse über den Paulsdamm mitten über den Schweriner See bauen wollen. Wegen dieser Entscheidung ist Bad Kleinen immer noch ein wichtiger Umsteigepunkt.
Wenn Sie mit der Bahn irgendwohin fahren wollen, bringen Sie ein wenig Geduld mit. Zum einen müssen Sie einen großen Umweg machen, denn der Bahnhof hat keinen direkten Zugang zum See. Zum anderen wird die Bahnstrecke zwischen Rostock und Hamburg aktuell durch Baustellen zerhackt, sodass noch mehr verwirrte Reisende hier stranden. So hat die Wurstbude am Bahnhof immer genug hungrige Kunden.

Passieren Sie die drei Tunnel am Außensee:

Der bunte Bahnhofsbrückentunnel - Der verstörende Eiertunnel - Der Parkpflanzentunnel
  

6. Am Westufer hat der See eine schwarze Steilküste, gegen die Wellen klatschen. Nun haben Sie die Wahl: Wollen Sie festen Boden unter den Rädern, folgen Sie den Schildern auf die obere Straße. Haben Sie Lust auf Abenteuer, dann folgen Sie der dubiosen Karte, die Sie sich ausgedruckt haben auf den Weg unten am See.
Heben Sie Ihr Rad über zwei Bäume, schieben Sie durch schwarzen Schlamm. Jemand hat Teiles des Weges provisorisch befestigt, indem er einfach ganz viel Holz nebeneinandergelegt hat.

Falls Ihre Kette in diesem Wald reißen sollte, haben Sie ein Problem. Am gesamten Außensee gibts keine Fahrradwerkstatt, nicht mal in Bad Kleinen. Improvisieren Sie eine abenteuerliche Reparatur, die Ihre Kette bei vorsichtiger Fahrweise in niedrigen Gängen tatsächlich durchhält.
Biegen Sie das gerissene Kettenglied mit einer Zange auf, fädeln sie es wieder ein - und dann hämmern Sie es irgendwie fest. Halten Sie mit Ihrer ersten Hand die Kette mit der Zange fest, mit Ihrer zweiten Hand halten Sie einen schmalen Schraubendreher, damit ausschließlich die Niete plattgeklopft wird, und mit Ihrer dritten Hand hämmern  Sie den Hammer auf den Schraubendreher. Sie haben keinen Hammer? Nun, dann suchen Sie einen geeigneten mittelgroßen Stein. Nein, nicht am Seeufer, da sind nur Kiesel. Aber mit viel Geduld werden Sie auf dem Waldboden fündig.

7. Verlassen Sie spätestens in Willigrad den Uferweg und radeln Sie das Ufer hoch - jetzt reicht es mit Abenteuern. Eine Etage höher erreichen Sie die Dorfstraße.

Umrunden Sie das Schloss Willigrad. Auch wenn die Kunstausstellung darin schon geschlossen hat, können Sie es sich von allen Seiten anschauen. Es sieht dem Schloss Klink an der Müritz zum Verwechseln ähnlich. Schon erstaunlich, was man mit nichts als Ziegelsteinen und weißer Farbe für eine prächtige Fassade basteln kann. Vor dem Schloss steht der Braunschweiger Löwe.

Würdigen Sie auch den Blick vom Schlosspark auf den See, denn auf den letzten Kilometern werden die Seeblicke eher selten. Ein paar winzige Insel ragen spitz und grün aus dem Wasser.

8. Sausen Sie entlang der Straße durch diverse Dörfer und Maisfelder bis zum Ziel, hier ist eh nichts Interessantes. Sollten Sie Gegenwind haben, werden Sie ihn nur auf diesem Abschnitt spüren, bisher hat die Landschaft Sie gut geschützt. Keine Sorge, es ist sowieso nicht mehr weit.
Achtung: Der Name Hundorf ist wörtlich zu nehmen. Vermeiden Sie nach Möglichkeit einen Herzinfarkt, wenn der wilde Hundorfer Hund sie urplötzlich anbellt.

9. Biegen Sie in Wickendorf links ab zu der Stelle, wo die beiden Seen verbunden sind. Kehren Sie über den Paulsdamm nach Rampe zurück, das kennen Sie ja schon.

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